Kohlezeichnung von 1916 - 16 x 28 cm
 



 


LOTTE HÖRMANN - SILLER



SEELEN - LUST

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
I
Herausgegeben von
MICHAEL GNADE

Lotte Hörmann-Siller:   Seelen-Lust

Band I des Gesamtwerkes von Lotte Hörmann-Siller in drei Bänden.
Je Band ca. 80 Seiten mit 40 Gedichten, 40 Gemälden und Zeichnungen,
wovon hier jeweils einige Bilder in Verbindung mit Lyrik vorgestellt werden.

Copyight 2002 Lotte Hörmann-Siller Archiv
Michael Gnade - Im Alten Feld 23 - 51429 Bergisch Gladbach
Dina Savi -
dinasavi@netcologne.de


 
 

                                             Aus den lyrischen Tagebüchern

                                                                                                                                                      14. März 1916
         
Ach, könnte ich in ein gewalt' ges Lied die Liebe all für meine Schönheit um mich her hinüberströmen laßen; ach, könnt ein einziger Akkord zum Himmel schlagen, der tief die große Weihe trägt, die heil'ge Schönheit in mir löst.
         Ach, könnt und müßt's das Herz mir sprengen, ich meine Liebe dicht zusammendrängen zu einem heißesten Gefühle, was meine Seele jäh durchflutete; und könnte ich nur die Gebärde finden, die ganz der Ausdruck würde meinem Jubel, meiner Qual. Und schaffen möchte ich, schaffen mir ein Werk, so reif, so wunderbar geschloßen, und doch der großen Schönheit also voll, das alles es umfaßte, was mich lieben läßt, herzklopfend mich bedrängt in unerhörter Fülle.
         Dann wüßt ich, wär mein Leben wert gelebt zu sein; es wär kein Stammeln nur und unvollkommenes Genießen. Mein Gott,
oh schenke mir ein Werk, worin ich meine Seele fülle, und eine Seele, die des Werkes alsovoll! -  
 

 

     


                                                            April 1919

          So reich bin ich. Von Frühlingssängen schwillt mein Herz; und tausend Stimmen werden in mir wach.
          Ich schlief, und wußte nichts mehr von dem Raunen der Natur, und hold umfängt mich seine Schönheit jetzt. Ich fühl's in meinem Innern neu sich regen, und mächtig quillt das Leben mir im Blut. Ich halte still; mit dankbarem Entzücken füllt sich die Brust mit neuen Wundern mir. So heiß wie dies Jahr schien die Liebe nie, die ich zur Heimaterde in mir trage und jäh durchflutet mich ein Strom von Dankbarkeit, so groß, daß sich mit neuem Reichtum täglich meine Seele füllt. Und Kraft und unbezwinglich Tatverlangen begrüßt die Jugend und das Leben in unbeschreiblichem Entzücken!  
     
                                    Allee im Frühling, 1922, Pastell 30 x 40 cm
 


Fahrt nach Barmen, 12. Aug. 1919

                  Ich fahre und ich fahre und fahre immerzu,
                                                                            Und Rad und Schiene unten singt laut den Takt dazu.
                  Ein langsam rhythmisch Gleiten, ein Rattern Stoß um Stoß, -
                                                                            Ich sage ganz allmählich vom Wollen müd mich los.
                  Und lausche mich ganz lösend in die Bewegung ein
                                                                            Und fühle ohne Denken in Rhythmen mich hinein.
                  Ist selbst ganz sachte worden die satte, dunkle Nacht
                                                                            Und auch zugleich das Schreiten, was sie lebendig macht.

 

 
  Blick aufs Oberbergische, 1919, Kohlezeichnung 26 x 36 cm
   

                                            14. Mai 1920

In unbeschreiblich süßer Reine
                  stieg heut der junge Tag empor,
Aus Duft und morgendlicher Bläue
                  wiegt er sich aus dem Schlaf hervor,
Und breitet seine vollen Arme
                  über braunes Ackerland,
Daß die Nacht von dannen schreitet
                  und die Finsternis entschwand.
Ahnungsvolle Lichter streifen
                  Horizont in rotem Saum,
Und das Land liegt hingeweitet
                  noch vom Schlaf in süßem Traum.
Bis der Morgen küßt die Saaten,
                  küßt die Felder und den Wald,
Daß in allem Wachsen werde
                  und das Leben widerhallt.

 

                                                                                                            Berlin. 16. November 20.

          Ach, laut und immer lauter tönt mein Schreien aus schwacher und gebrochner Seele auf zum Himmel, wenn es einen Himmel gibt, und fleht um Kraft und 1000 Sonnen und warmes Leuchten vieler Millionen Sterne, um mit weiter, unerschöpflich weiter Hand, Wärme zu strahlen über alle Kälte, alle Not, die mir in bitterm Gram die eigne Seele fast zerfrißt.
          Ach, könnt ich im Licht alle Stuben

tauchen, und alle trüben, dunkeln Seelen an mich ziehn, auf daß die harten Schalen ihres Elends brechen, und geborgen sie und selig sie an meinem gütgem Herzen ruhn.
          Ach, unermeßlich reiche Fülle goldnen Segens müßt mein eigen sein, daß alles warmer Abglanz würde eines Sternenmantels ew’gen Lichts. - und - weh, o wehe - bin ein Mensch nur, was für einer, - Sehnsüchte, wilde, kreisen erschreckt um ihn, wie schwarze Sturmeswolken, und falkengleich so schwingen sich
die eignen Klagelieder auf und bittre Einsamkeiten stürzen sich in Abgrundtiefen - wenn seine eigene Seele bar der Quelle aller Schönheit ist.
          Begehrend sucht sie seliges Verlieren
in blaue Säume weiten Heimatlands und unbezwingbar scheint die Qual des Harrens.
- - - - -Und doch, sind manchmal nicht Mit-Leidens warme Wellen und eignem Menschentumes Gotteskraft, sind manchmal sie nicht zarte Silberbrücken, drauf Menschenseelen zueinander wandeln - und spinnt ein zitternd Fädchen sich nicht an, wo eben du in trostlos leere Tiefen noch gebückt? Ich kann, und bin ich noch so tief in Schwachheit auch gesunken, ein ahnend Hoffen ganz zu Tode schweigen nicht.
 




 
   Abendweg, 1920, Pastell 30 x 40 cm
                        
                                                                         10. Nov. 22


          Oh schwere Einsamkeit,
die du immer mich verbannst in das enge Haus meines Ich
und mich so fürchterlich allein dem Leben überläßt.
Oh du, vergebens renn ich meine Grenzen an und bin in mir gefangen, ebenso wie du, Mensch, neben mir, dem ich ein Fremdling bin,
wenn auch die Erde ihren Bogen um uns Beide schlingt.
Ja, das ist es, das ist’s, was mich verdammt,
mein Antlitz verzerrt,
wenn mir zitternd der Strahl deiner Schönheit,
die Süße deiner Bilder, die Gewalt deiner Unendlichkeit,
oh meine Erde, ins Herz fährt,
wenn ich verfluche in mir jegliches Stück, was sich nicht bog zur Gebärde: empfangen
- oh dann bin ich einsam ausgestoßen auf eine Insel - schaust an doch nicht das Bild, was bebend meine Seele hält,
lebst nicht mein Erleben, kenn ich doch nicht den Strahl,
der dein Herz trifft,
weiß ich nicht deine Einsamkeit, mein Freund,
und sind wir doch bedürftiger vielleicht denn je des andern
!

 

            Am Abend geschehen seltsame Dinge; - der Abend ist voll Geheimnis und Klarheit. Es offenbart sich ein zweites dem staunenden Geiste, – oder ist dieses der Urgrund der Dinge? Unsere Seele fühlt die Verwandtschaft mit allen Stimmen die lautlos werden in uns zum Bilde; und plötzlich ergreift sie, was je sie gesucht. In wunschlosem Glücke erlebt sie die Nacht.
          Aber der Morgen weiß nicht von solchem Erleben, in drängender Tat eilt wieder dem Abend er zu, und empfängt neu wie zum ersten Male entspannende Lösung vom Tage; so die Sterne leuchten vom Himmel in nächtlichem Dunkel.
 

 

 




                          1. Febr. 1919 (Conzert)

Es steht mein Herz gleich einer Blüte offen,
Um alles, alles Schöne zu empfangen,
Und nur ein zitternd stilles, großes Hoffen,
Hält meine Seele mir umfangen.

Aus meinem Auge quillen Tränen
Von deren jede eine Einsamkeit,
Ein ganz unnennbar heißes Sehnen
Um mich sich breitet wie ein Mantel weit.

Doch wie die Blüte nimmt mit Dank entgegen,
Was Gott ihr aus dem Himmel gibt,
So auch mein Herz die Sonne und den Regen
Als ein Geschenk des Himmels liebt.

 
                                               Winterlandschaft im Taunus, 1934, Pastell 22 x 31 cm
 





 

Seelen - Lust


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Die Schatz-Truhe


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