Brandenburg 1921, Kohlezeichnung, 20 x 35 cm
 



 


LOTTE HÖRMANN - SILLER



ZWISCHEN ERDE UND
HIMMEL

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
II
Herausgegeben von
MICHAEL GNADE

Lotte Hörmann-Siller:
                                        Zwischen Erde und Himmel

Band II des Gesamtwerkes von Lotte Hörmann-Siller in drei Bänden.
Je Band ca. 80 Seiten mit 40 Gedichten, 40 Gemälden und Zeichnungen,
wovon hier jeweils einige Bilder in Verbindung mit Lyrik vorgestellt werden.

Copyight 2002 Lotte Hörmann-Siller Archiv
Michael Gnade - Im Alten Feld 23 - 51429 Bergisch Gladbach
Dina Savi -
dinasavi@netcologne.de


 
 

                                                   
Aus den lyrischen Tagebüchern
                                                                                                                                                12. April 1916

          
Mit Urgewalt faßt heute mich der Frühling an und macht mich grenzenlos mit sich verbunden, daß ich nichts fühle als nur ihn und alles abfällt, was mir sonst gehörte.
          Nur Luft bin ich und Sonne, Erde, und gebe nur dem linden Wind, dem Sturm mich hin. Daß man so ganz sich dir verlieren kann, mein Frühling du, mein rauschend Werden; denn ich erschrecke fast, und liebe dich doch wie mein Leben und bring dich mir zum Opfer dar.
          Es gibt ja soviel Schönheit auf der Erde, ich weine, daß sie gar so einsam ist. Es müßten Freudenfeuer flammen auf allen Höhen, dir, unbeschreiblich seliger Gewalt, und zünden müßten sie in allen Herzen, sodaß ein großer Rausch zum Himmel schlägt. Mein Frühling, gib mir immer neue Kraft, dich immer reicher zu erleben.

   
 



























 


























Aquarell von 1924
20 x 27 cm
 

 

     
                               21. April 1924

Frühmorgens


Heute taucht mein Sinn empor
wie Morgennebel leicht,
Wenn von dem klaren Wiesentau
er auf zum Himmel steigt!

Es kräuselt sich mein froh Gemüt
in leichtem Tanze hin,
Und aller Bläue lichter Schein
wird selig mein Gewinn!

Beschwingt schreit' in die Frühe ich,
und alles schwingt sich mit,
Es ist, als ob die ganze Welt
teilt meinen Wanderschritt!
  Und alles Lebens letzter Schluß
dünkt mich die Leichtigkeit,
Mit der in reiner Anmut sich
wirft in den Himmel weit

Dort jener Vögel Jubelschor
in morgendlicher Luft,
Und unbeschreiblich hold und herb
umfängt mich aller Duft!
 

 

 



                                                                          Blick auf Halberstadt am Harz mit Dom und Paulskirche, 1937, Pastell 30 x 45 cm

 

 

                                       5. August 1919
Abendweg

Wenn ich versunken schreite
In abendlicher Weite,
So scheint mein tiefstes Wesen
In dir sich ganz zu lösen.

Und langsam still versonnen
Ist Dämm'rung niederkommen,
Ein letztes gold'nes Wehen
Als Klarheit noch zu sehen.
 
Sonst nur ein weiches Gleiten
Von blauen Dunkelheiten,
Und köstlich trink und fühle
Ich rings die milde Kühle.

Ein Lichtlein in der Ferne
Und hoch am Himmel Sterne,
Die zeigen ohn' Ermatten
Durch flieh'nde Wolkenschatten
Mir weite Ewigkeiten.
Könnt' immerfort so schreiten.
 


 

























 























Kohlezeichnung auf
Pergament,1950
20 x 30
cm

 


   
             
Leben

Oh, Leben, laß mich eine Atempause lang
                              aus deinen Händen gleiten,
etwas abseits liegen – wie in Weiten -,
                              so wie der Wellenschlag in stiller Bucht
leiser bewegt nur von dem offenen Meere.
Es tut so gut, im Abglanz und im Abklang
                              dazusein - ein Weilchen lang - ;
 

Bedrängnis ließ zu oft die Seele beben,
             erschüttert lebt das allzu nahe Herz!
Schenke mir ein wenig Fernesein!
Mit jedem Atemholen sänftiglich,
             wie meines Kindes Lächeln aus des Schlafes Quell,
neut sich Gefäß in mir und keimen Kräfte!
Dann, Schicksal, mag Beginn und Spiel mir wieder sein,
             und wach und wartend horche ich der Melodien!

 

 




                          Chorin 20. März 21

Es wölbt sich zu Häupten
                                    unbändiger Himmel,
zerrissene Wolken jagen einher,
blautrunkene Wälder
                                    flammen im Westen,
unendliche Wege dehnen sich aus.
Unbändiges Herze, du bist in allem,
in Stimmen und Häusern,
                                    in Fernen und Feld.
Du pochst in aller Wesen Geschicke,
einsame Straßen wanderst du lang.
Wachsend in alle Tiefen der Dinge
sind keine Grenzen mehr
                                    hemmend gespannt.
Brände des Lebens tauchet
                                    ins Herz mir,
laßt mich ergreifen Unendlichkeit.
 
                                                                                        Landschaft bei Chorin, 1936, Pastell 37 x 47 cm
 




 

Seelen - Lust


LOTTE HÖRMANN - SILLER


SEELEN - LUST

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
I
Herausgegeben von
MICHAEL GNADE


Zwischen Erde und Himmel


LOTTE HÖRMANN - SILLER


ZWISCHEN ERDE UND HIMMEL

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
II

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Allein Gott zum Ruhme


LOTTE HÖRMANN - SILLER


ALLEIN GOTT ZUM RUHME

Lyrisches Tagebuch
Gemälde und Zeichnungen
der Malerin und Dichterin
III
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MICHAEL GNADE

 


Die Schatz-Truhe


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